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Ein neuer Glaube

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Miðgarðsormur og Valhöll á síðu úr einu handriti Snorra-Eddu, Löngu-Eddu AM 738 4to, frá 1680.

Alte und neue Sitten
Der Begriff des altnordischen Glaubens wird als Oberbegriff für die Religion sowie mythologische Erzählungen und Rituale verwendet, die zum Glauben der Skandinavier gehörten, bevor die christliche Religion ihren Einzug hielt. Der heidnische Glaube, der in alten Texten forn) siðr (Brauch, Sitte') genannt wird, war polytheistisch und beruhte auf einem gemeinsamen Weltbild, nach dem Asen, sowohl Götter als auch Göttinnen, Wanen, Walküren, Elfen, Zwerge, Disen, Nornen, Seherinnen, Riesen und Riesinnen den Kosmos zusammen mit den Menschen bewohnten. Die Menschen, die an Krankheiten starben, kamen vorwiegend nach Hel und die Krieger, die im Kampf fielen, kamen meist nach Valhall. Götter und Göttinnen hatten jeweils ihre Aufgabe im Weltbild, weshalb den Göttern auf vielfältige Weise geopfert wurde, je nach den verschiedenen speziellen charakterlichen Eigenschaften und ihren Wirkungsbereichen. So scheint es, dass Glaube, Mythologie und Rituale zum Teil ortsgebunden waren und geschlossene Gemeinschaften wie Fischer, Seefahrer oder Krieger andere Götter verehrten als diejenigen, die Ackerbau und Viehzucht betrieben.

Nach der Ankunft des Christentums und der Buchkultur  wurde eine Unterscheidung zwischen ‚dem alten Glauben‘ und ‚dem neuen Glauben‘ in den schriftlichen Werken gemacht, und das Wort siðaskipti (wörtl. Glaubens/-Sittenwechsel) wurde für den Wechsel zum christlichen Glauben verwendet. Das älteste Beispiel für das Wort 'heidnisch‘ findet sich im Preislied Hákonarmál des norwegischen Skalden Eyvind skáldaspillir, welches auf das Jahr 960 datiert wird. Das Wort ásatrú (‚Asenglauben‘) ist ein Neologismus aus dem 19. Jahrhundert und wurde einige Zeit verwendet, aber nun bevorzugen viele die Bezeichnung ‚altskandinavischer Glaube‘ (norræn trú) für den vorchristlichen Glauben. Der Gebrauch des Wortes (forn) siðr  (Sitte/Glaube) gilt als Hinweis darauf, dass die Skandinavier die Verehrung von Göttern und anderen übernatürlichen Wesen sowie Opferungen vor der Christianisierung nicht als ein spezielles Bereich ansahen, sonder eher als ein intigrierter Bestandteil des gesellschaftlichens Lebens. Mit dem Glaubenswechsel veränderten sich auch die sozialen Strukturen und es kam zu vielen, wahrscheinlich auch unvorhergesehenen Veränderungen, als sich die christlichen Kirchenstrukturen in den skandinavischen Ländern festigten.

Was weiß man über den altnordischen Glauben?
Die Quellen über den altnordischen Glauben sind von unterschiedlicher Art: Artefakte, wie Siedlungsüberreste, Grabmäler/Steindenkmäler (und Grabhügel), Götterfiguren und anderes. Ortsnamen, die sich von den Namen einzelner Götter ableiten, sowie Runeninschriften oder Bildsteine, die Götter oder den Inhalt mythologischer Erzählungen wiedergeben, liefern uns auch Informationen über den Glauben. Alle schriftlichen Quellen, die über die altnordische Religion berichten und alle Göttergeschichten, sowie die Beschreibungen der religiösen Vorstellungen, Rituale oder Opferungen wurden von gelehrten christlichen Schriftstellern verfasst, sodass angenommen werden muss, dass die christliche Tradition in den Beschreibungen ihre Spuren hinterlassen hat oder vielleicht mit der alten vermischt wurde. Trotzdem können diese Quellen für die Interpretation der archäologischen Funde aufschlussreich sein und erleichtern damit das Verständnis für deren Funktion. Wichtige schriftliche Quellen zum altnordischen Glauben und Weltbild sind in isländischen Handschriften überliefert. Darunter sind die Eddalieder, die Skaldengedichte und die Snorra-Edda am bedeutendsten.

Krossfesting
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Das Christentum wurde in erster Linie vom europäischen Festland und den Britischen Inseln aus eingeführt. Bild von der Kreuzigung aus GKS 3270 4to, von ca. 1350.

Die Christianisierung Nordeuropas
Der Glaubenswechsel in den nordischen Ländern hat eine lange Vorgeschichte. Zu ersten Kontakten der Seefahrer des Nordens mit dem Christentum kam es spätestens in der Wikingerzeit, als die Wikinger mit den christlichen Ländern Westeuropas Handel trieben, oder sie auch ausraubten. Einige der Skandinavier empfingen die sog. Primsigning  (die prima signatio, „erste Segnung“, war damals eine Art vorläufige Taufe), um in christlichen Ländern Handel treiben zu können. Mit Heiden Geschäfte zu machen, war dort nämlich nicht gern gesehen.

Damit begannen vielfältige Beziehungen zwischen den Einwohnern Skandinaviens und den Völkern in Ost- und Westeuropa, nicht zuletzt auch durch die dauerhafte Niederlassung von nordischen Siedlern in Gebieten, in denen bereits Christen lebten. Die beiderseitige Beeinflussung ist auch daraus ersichtlich, dass sich schon früh nordische Lehnwörter in der englischen und der irischen Sprache finden, genauso wie auch keltische Wörter ihren Weg in die nordischen Sprachen fanden. In der ornamentalen Kunst Englands und Irlands orientierte man sich an nordischen Vorbildern, dem sog. Ringerike-Stil und dem Urnes-Stil, die in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts ihre Blütezeit erlebten. Ebenso kann an den ältesten Illustrationen in isländischen Handschriften, denjenigen des Physiologus  aus dem 12. Jahrhundert, der Einfluss englischer Ornamentik festgestellt werden. Sie stammen aus christlicher Zeit, genauso wie verschiedene religiöse Lehnwörter.

Von wo aus gelangte das Christentum in den Norden?
Der christliche Einfluss hatte zweierlei Herkunft, nämlich das europäische Festland und die Britischen Inseln. Die systematische Missionierung Nordeuropas im Namen des Papstes begann zunächst mit den Missionsbemühungen des deutschen Mönches Ansgar. Dieser leitete das Erzbistum Hamburg-Bremen, welches 931 im damaligen Stammesherzogtum Sachsen gegründet worden war, um die Missionierung voranzutreiben. Ansgar wird auch "der Apostel des Nordens" genannt und sein Einfluss, wie auch allgemein die vom Erzbistum Bremen ausgehende Mission, kann als äußerst bedeutsam für das Christentum in Dänemark und eventuell auch in Teilen Norwegens und Schwedens angesehen werden. Schriftliche Quellen, wie Adam von Bremens "Geschichte des Erzbistums Hamburg" (Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum, ca. 1075 ) sind hier für die Forschung von großer Bedeutung.

Kóngur og biskup
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Initiale aus der Handschrift des Gesetzbuches Belgsdalsbók, AM 347 fol, die einen König und einen Bischof zeigt. In der schriftlichen Überlieferung ist die Christianisierung das Verdienst des norwegischen Königs Ólaf Tryggvason.

Die Könige und das Christentum
Von Ansgar wird überliefert, er habe die ersten Kirchen des Nordens errichten lassen, in Haithabu, in Ribe in Dänemark und in Birka in Schweden. Obwohl diese Kirchen früh errichtet wurden, ist festzustellen, dass die Christianisierung des Nordens in der Folgezeit nur stockend vorankam, bis sich schließlich weltliche Herrscher zum neuen Glauben bekannten - und mit ihnen auch ihre Untertanen. Die Christianisierung im westlichen Skandinavien etwa ist das Werk von Königen, die lange Zeit im Ausland verbrachten, dort getauft wurden und enge Beziehungen z.B. nach (Süd-) England pflegten.

Das Zusammenleben der Skandinavier mit den Bewohnern der Britischen Inseln, wo sowohl das schottisch-irische als auch das angelsächsische Christentum schon lange beheimatet waren, scheint den Glauben in Norwegen und auf Island ebenfalls geprägt zu haben, zumal englische Missionare und Bischöfe bis in diese Länder kamen, um den Einwohnern christliches Recht und Buchkultur zu vermitteln. In Schweden brauchte der Glaubenswechsel eine bemerkenswert lange Zeit, was vielleicht dadurch erklärt werden kann, dass das Land erst spät unter einem König geeint wurde. So war etwa Uppsala bis zum Ende des 11. Jahrhunderts ein Zentrum des heidnischen Glaubens und Adam von Bremen spricht im Zeitraum 1070-80 von einer großen Opferstätte an diesem Ort, wo im Jahr 1164 ein Erzbistums für Schweden gegründet wurde. Vor 1200 dürfte das Land jedoch nicht vollständig christianisiert gewesen sein. Das orthodoxe Christentum, also die oströmische Kirche, die in Konstantinopel bzw. dem ehemaligen Byzantinischen Reich beheimatet war, beeinflusste möglicherweise aus Richtung Osten das östliche Schweden und Finnland - aber auch die isländische Kirche und damit die Kirchenkunst.

Die Christianisierung – ein plötzliches Ereignis oder eine langfristige Entwicklung?
Statt die Christianisierung eines Landes mit bestimmten Ereignissen oder Jahreszahlen zu verbinden, ist es vielleicht eher angebracht, sie als langfristige Entwicklung zu betrachten, auch wenn die rechtliche Annahme des Christentums eines formellen Aktes bedurfte. Im Laufe der Zeit wurden die durch den Glaubenswechsel entstandenen Neuerungen zur Volkssitte. Das kirchliche Leben und der Machtbereich der Kirche wurden organisierter. Dies lief Hand in Hand mit der größeren Macht der Könige in den nordischen Ländern. Unterdessen gab es Auseinandersetzungen zwischen alten und neuen Ideen und Moralvorstellungen, doch verlief diese Entwicklung in verschiedenen Gebieten sicherlich unterschiedlich schnell. Auch kann sie nicht vor dem 12. Jahrhundert als abgeschlossen betrachtet werden – erst da war ganz Skandinavien christianisiert.

Einige Daten zu den nordischen Bistümern

823 – Ebo von Reims, von 816-835 Erzbischof von Reims, erhielt einen päpstlichen Erlass, der ihn damit betraute, Nordeuropa zu missionieren.

831 – Das Erzbistum Hamburg, später Bremen, wird ins Leben gerufen, um die Missionierung Nordeuropas zu leiten. Als Ansgar den Bischofsstuhl besteigt, fällt ihm die seelsorgerische Verantwortung für sämtliche Länder des Nordens zu.

1104 – In Lund, damals noch zu Dänemark und heute zu Schweden gehörend, wird ein eigenes Erzbistum für die Länder Skandinaviens gegründet. Als die anderen skandinavischen Erzbistümer gegründet werden – und zwar in Nidaros (heute Trondheim) in Norwegen und in Uppsala in Schweden – behielt Lund weiterhin das Gebiet Dänemarks.

1152/3 – Nidaros (Trondheim) in Norwegen, wo es schon seit der Zeit von Ólaf Haraldsson, der 1031, ein Jahr nach seinem Tod, unter die Heiligen aufgenommen worden war, ein Bistum, sowie verschiedene mit Ólaf in Verbindung stehende heilige Stätten gab, wird zum Erzbistum ernannt. Zu Nidaros gehörten die Bistümer Kirkjuvogur auf den Färöern (gegr. 1047), Skálholt auf Island (gegr. 1056), Bergen (gegr. 1060), ein Bistum auf den Orkneys (von 1070 bis 1472), Christiania (Oslo) (gegr. 1073), Hólar auf Island (gegr. 1106), Gardar auf Grönland (gegr. 1126), Stavanger (gegr. 1139), Hamar (gegr. 1151) sowie ein Bistum auf den Hebriden (bis 1542) und der Isle of Man (bis 1334). Nidaros war nicht nur das Zentrum des geistlichen Lebens seit dem Glaubenswechsel, sondern schon seit der Gründung durch Ólafur Tryggvason im Jahre 997 auch Norwegens einzige größere Stadt und Königssitz (bis 1217).

1164 – In Schweden wird das Erzbistum Uppsala gegründet, das auch das Gebiet des heutigen Finnlands mit einschließt (aber nicht Schonen, Blekinge und Halland, welche damals noch dänisch waren).

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