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Geschichte(n)
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Der Handschriftenexperte Stefán Karlsson blättert in einer großen Pergamenthandschrift. |
Das Wort „Geschichte“ (saga) hat im Isländischen wie im Deutschen eine weite Spannbreite von Bedeutungen und bezeichnet verschiedenste Arten von Erzählungen, seien sie mündlich oder schriftlich, lang oder kurz, wahr oder unwahr. Auch im Sinne von „Historie“ wird der Begriff verwendet und dementsprechend soll an dieser Stelle von den Anfängen der „Geschichte“, dem Stoff und Inhalt und von der Überlieferung der isländischen Pergamenthandschriften die Rede sein. Im Wesentlichen geht es dabei um die mittelalterlichen Handschriften, die in der Sammlung von Árni Magnússon oder der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen sowie in den Handschriftensammlungen in Uppsala und Stockholm verwahrt wurden. Ihre Geschichte ist eng mit der politischen Geschichte Islands und der isländischen Literaturgeschichte verbunden, doch sollen an dieser Stelle die Handschriften im Vordergrund stehen, um durch sie das kulturelle Umfeld und das literarische Schaffen vergangener Zeiten zu beleuchten.
Im Mittelalter schrieben die Isländer in wesentlich größerem Umfang in ihrer eigenen Sprache als die meisten ihrer Nachbarn. Vermutlich stellen diejenigen mittelalterlichen Handschriften, die sich bis in unsere Zeit erhalten haben, aber nur einen Bruchteil der Büchermenge dar, welche zur Zeit der Niederschrift existierte. Dennoch reichen die bewahrten Handschriften aus, um zu beweisen, dass die Isländer ihre schriftstellerischen Fähigkeiten auf mehr und mehr Gebieten nutzten und zugleich einzigartige eigene Erzählstoffe in ihrer Muttersprache zu Pergament brachten.
Bei alten schriftlichen Überlieferungen aus den ersten Jahrhunderten nach Einführung der Schreibkunst, wie sie etwa die Isländersagas darstellen, sind für gewöhnlich weder Autoren noch sonstige an Herstellung und Niederschrift beteiligte Personen namentlich bekannt. Dennoch stellen isländische Handschriften eine unschätzbar wertvolle Quelle über die Schriftkultur weltlicher und geistlicher Gelehrter dar, die Zugang zu Bildung und ausreichend Mittel hatten, Bücher zu schreiben oder sich anfertigen zu lassen. Der Inhalt der Handschriften bildet ab, was die Menschen – und besonders die herrschende Oberschicht – für wert erachteten, zu Pergament zu bringen, seien es nun Gesetzessammlungen, religiöse Texte, wie etwa Heiligenlegenden oder -Gesänge, gelehrte Texte, beispielsweise Kalender und Geschichtswerke, Überlieferungen aus Vergangenheit und Gegenwart, alte Gedichte und mythologische Erzählungen, oder auch Rímur-Dichtungen.
Die meisten Handschriften werden in der Sammlung von Árni Magnússon (1663-1730) aufbewahrt, die inzwischen auf zwei Einrichtungen verteilt ist: Stofnunar Árna Magnússonar í íslenskumfræðum (“Arnamagnäisches Institut für isländische Philologie”) auf Island und Den Arnamagnæanske Samling in Dänemark. Außerdem befinden sich sehr viele mittelalterliche Handschriften in Schweden, genauer gesagt in Uppsala und Stockholm, was eine Folge des schwedischen Interesses an isländischen Handschriften im 17. Jahrhundert ist. Isländische Handschriften werden aber noch an vielen anderen Orten aufbewahrt, so etwa in Sammlungen in Norwegen, Deutschland, Frankreich, Österreich, den Niederlanden, den USA sowie England, Schottland und Irland.
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