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Die Besiedlung
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Islandkarte des Bischofs von Skálholt, Þórður Þorláksson, von 1670. Heute in der Sammlung Árni Magnússons unter der Signatur AM 379 b fol. aufbewahrt. |
Die Besiedlung Islands
Es gibt viele Gründe für die Auswanderung nach Island, die zweifellos zusammengespielt haben werden. Zum einen verfügte man über die notwendige Segeltechnik und auch über die Schiffstypen, die für das Segeln auf hoher See geeignet waren. Zum anderen war da die Sehnsucht nach Erfolg und Reichtum auf Reisen, nicht zuletzt, da die Lebensbedingungen in der Heimat eingeschränkt waren, aber das isländische Land recht fruchtbar zu sein schien. Wahrscheinlich nahm die Besiedlung um 900 zu, da die Wikinger u.a. 902 aus Dublin vertrieben wurden und es ungefähr zur gleichen Zeit auch zu Veränderungen in Norwegen kam. Die Macht der regionalen Oberhäupter wurde zunehmend geringer, als die mächtigen Könige begannen, durch kriegerische Aktionen größere Gebiete zu vereinen und die Steuerpflicht zu erhöhen. Norwegen wurde erst unter König Olaf dem Heiligen Haraldsson geeint, der von 1015-1028 herrschte. In der Erzähltradition wird die Besiedlung Islands häufig damit in Verbindung gebracht, dass sich die Bauern nicht der Herrschaft König Harald Schönhaars unterwerfen wollten, der sich vorgenommen hatte, ganz Norwegen unter sich zu einen. Hierbei handelt es sich wahrscheinlich eher um ein literarisches Motiv.
Der Íslendingabók von Ari fróði („der Gelehrte“) zufolge wurde Island innerhalb eines Zeitraums von 60 Jahren vollständig besiedelt, und zwar in den Jahren von 870 bis 930. Die Besiedlung fällt in die Zeit der Wikinger (800-1050), eine Zeit, die ihren Namen von jenen skandinavischen Seefahrern hat, die damals ihre Heimat in Richtung Osten, Westen und Süden verließen. Die Wikinger verlegten sich dabei nicht nur auf den Handel, sondern unternahmen auch Raubzüge und ließen sich darüber hinaus vielerorts in Europa nieder.
Schriftliche Quellen über die Besiedlung
Alte Manuskripte berichten ausführlich über die Besiedlung Islands. So vermitteln schriftliche Quellen aus dem 12. und 13. Jahrhundert, wie die Landnámabók, die Íslendingabók und die Isländersagas, ergänzt durch archäologische Funde, Ortsnamen und genetische Untersuchungen, ein vergleichsweise klares Bild der Landnahme und der Herkunft der isländischen Siedler. Dabei dominierten die schriftlichen Quellen lange Zeit das Bild, das man sich von der Besiedlung Islands machte, auch wenn es sich nicht um zeitgenössische Quellen handelt, sondern um Jahrhunderte später entstandene. Auch die Intentionen der Texte und die Umstände, die bei ihrer Entstehung herrschten, müssen berücksichtigt werden. Insgesamt jedoch legen die Quellen nahe, dass die erste Siedlung auf dem Gebiet des heutigen Reykjavík entstand und die Besiedlung von Skandinaviern ausging.
Archäologische Untersuchungen
Untersuchungen der alten Siedlungsreste haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten wichtige Informationen über die Entwicklung und das Alter der Siedlungsplätze auf Island zu Tage gefördert. Als besonders hilfreich für die Datierung von archäologischen Funden hat sich dabei die den Zeitpunkt des Jahres 871 (+/-2 Jahre) markierende Ascheschicht von einem Ausbruch des Vulkans Hekla erwiesen, die als “Landnahmeschicht” bezeichnet wird. Die ältesten untersuchten Siedlungsüberreste, etwa in Reykjavík, liegen meist genau über der Landnahmeschicht und deuten darauf hin, dass die Angaben Ari fróðis über den Beginn der Landnahmezeit ihre Richtigkeit haben. Einige Funde jedoch, wie etwa Gerstensamen und andere Spuren einer Bebauung des Landes, die unterhalb der Landnahmeschicht gefunden wurden, legen eine noch frühere menschliche Besiedlung nahe. Zwar sind diese Hinweise selten, doch zeigen sie, dass Menschen sich dort niedergelassen oder sich zumindest vorübergehend dort aufgehalten haben müssen, noch ehe eine geordnete Besiedlung begann.
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Erzählungen aus den unterschiedlichen Fassungen der Landnámabók
Die Landnámabók berichtet vom Beginn der Besiedlung Islands, woher die Siedler kamen, welche Gebiete sie in Besitz nahmen, von ihrer Abstammung und ihren Nachkommen, allerdings nicht immer gleich ausführlich. Die Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte der Landnámabók ist lang und kompliziert. Ihr Text ist in fünf Fassungen überliefert, drei davon aus dem Mittelalter, dazu zwei Versionen aus dem 17. Jahrhundert. Die älteren Versionen sind unvollständig bewahrt, manche von ihnen auch erst in jüngeren Abschriften oder als Teile von Zusammenstellungen unterschiedlicher Texte.
Die Berichte von der Entdeckung Islands unterscheiden sich, je nach Version der Landnámabók. Als erster wird bisweilen Naddoður genannt, der das Land entdeckte und Snæland, Schneeland, nannte, bevor er weiter zu den Färöern segelte, oder aber der Schwede Garðar Svavarsson, der das Land erkundete und ihm den Namen Garðarshólm gab, ‘Garðars Insel’. Die Geschichte über Garðar ist in allen Versionen der Landnámabók enthalten und scheint alt zu sein. Desweiteren gibt es die Erzählung von Raben-Flóki Vilgerðarsson, der als erster versuchte sich auf der Insel niederzulassen, es aber nach einem Jahr wieder aufgab, da er für einen längeren Aufenthalt nicht ausreichend vorgesorgt hatte. Er soll der Insel ihren Namen gegeben haben. Alle Versionen der Landnámabók erzählen, dass Ingólfr Arnarson und Hallveig Fróðadóttir, seine Frau, als erste dauerhaft in Island siedelten. Ihre Siedlung in Reykjavík bei der Faxaflói markiert den Beginn der Landnahme, die von da an schnell vor sich ging, bis das Land innerhalb einiger Jahrzehnte vollkommen besiedelt war.
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Ortsnamen und Inseln im Kollafjord und Skerjafjord. In der Nähe von Reykjavík liegen die Inseln Akurey, Engey undViðey. Von Wikipedia, Veröffentlichung nach Wikimedia Commons: GNU Free Documentation License. |
Jagd- und Fischgründe auf Island?
Es wurde darauf hingewiesen, dass die Erzählungen der Landnámabók über die Vorgeschichte der Besiedlung vielleicht als ein Hinweis darauf gedeutet werden können, dass das Land zunächst erkundet wurde, wobei man auch bereits an einigen Orten der Jagd und Fischerei nachging, bevor die eigentliche, organisierte Landnahme begann. Die Landschaft bei der Faxaflói (einer breiten Bucht im Westen Islands, an dessen Ufern Reykjavik liegt) könnte als Jagdgebiet sehr gut geeignet gewesen sein, so dass man etwa Walrossjagd betrieb und sich schließlich das ganze Jahr über dort niederließ und die Siedlungen nach und nach ausbaute. In der Gegend bot die Natur günstige Voraussetzungen, es gab Fisch, Vögel, Eier und Treibholz, um die Menschen zu versorgen und den Siedlungsbau zu unterstützen, bis sich Ackerbau, Viehzucht und Wiesen zur Heuernte entwickelt hatten.
Wenn feste Siedlungen an der Faxaflói Vorläufer der späteren umfangreichen Landnahme waren, weisen die Texte von Íslendingabók und Landnámabók, die die Siedlung Ingolfrs in Reykjavík betonen, möglicherweise Spuren davon auf, indem sie auch Ingolfrs Nachkommen einen besonderen Status zuerkennen, den sie etwa durch ihren Ehrenrang als erste Allsherjargoden (oberste Vorsteher des Things) inne hatten.
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