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Arbeitsweisen der Schreiber
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Ein über die Zeile geschriebenes Wort und Punkte unter Buchstaben. Aus der Staðarhólsbók Grágásar AM 334 fol. |
Arbeitstechniken
Man geht davon aus, dass ein Schreiber, wenn er die Arbeit an einem Manuskript begann, entweder eine Vorlage vor sich liegen hatte, von der er den Text abschrieb, oder dass ihm jemand den Text vorlas. Schreiber machten beim Schreiben eines Textes oft Fehler, die Hinweise geben auf ihre Vorgehensweise.
Manche Schreibfehler könnten darauf hindeuten, dass der Schreiber das Vorgelesene falsch verstanden hat. Üblicher sind Fehler, die darauf hindeuten, dass entweder derjenige, der vorlas, oder der Schreiber selbst sich in der Zeile geirrt oder einen Textteil in der Vorlage übersprungen hat.
In so einem Fall können ein paar wenige Worte, vollständige Sätze oder sogar ganze Abschnitte fehlen. Wenn sehr viel von einem Text fehlte, hatte es keinen Zweck, die Worte oberhalb der Zeile zu ergänzen, wie man es tat, wenn ein oder zwei Worte fehlten. Manche Schreiber hatten ihre eigenen Methoden und schrieben den fehlenden Text auf kleine Pergamentreste, die beim Binden des Buches an den entsprechenden Stellen festgebunden wurden. So sind sowohl der Schreiber des Gesetzesbuches Arnarbælisbók AM 135 4to als auch ein Schreiber der Rímur-Handschrift AM 604 4to vorgegangen.
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In dieser Gesetzesbuchhandschrift ist ein Pergamentrest hinzugefügt worden, auf dem ein Text steht, der beim Schreiben vergessen worden war. Es war wichtig, dass Gesetzesparagraphen korrekt waren, weswegen das Buch korrigiert wurde. Arnarbælisbók AM 135 4to. |
Wenn der Schreiber eine Textstelle übersprang, wurden die ausgelassenen Wörter meist auf den Rand oder zwischen die Zeilen geschrieben. Ein rotes Zeichen, eine Art Kreuz, zeigt an, wo der hinzugefügte Text eigentlich stehen soll. Arnarbælisbók AM 135 4to. |
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Hier ist versucht worden, eine Zeile aus der Handschrift mit einem Korrekturmesser abzuschaben. Konungsbók Grágásar GKS 1157 fol. |
Fehler und Korrekturen
Im Mittelalter gab es nur wenige Mittel zur Entfernung von Tinte oder zur Korrektur von Fehlern, die oft beim Schreiben auftraten, denn damals waren weder Tipp-Ex noch Radiergummi erfunden. Wurde der Fehler sofort bemerkt, war es jedoch möglich, die Tinte mit einem Korrekturmesser abzuschaben. Die Schreiber hatten jedoch auch viele andere Möglichkeiten, einen Text zu korrigieren.
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Diagonale Striche über der Zeile bedeuten, dass die Wortstellung verändert werden muss. Konungsbók Grágásar GKS 1157 fol. |
So wurden z.B. Punkte gesetzt unter Buchstaben, die im Text zu viel waren. Diese Buchstaben sollte man überlesen. Wurde ein Wort vergessen, schrieb man es meist über die Zeile oder auf den Rand. Worte, die überflüssig waren, wurden durchgestrichen. Ein besonderes Zeichen, meist ein Schrägstrich oberhalb der Zeile, zeigte an, dass die Wortstellung im Text verändert werden musste.
Wachstafeln
Möglicherweise benutzten Schreiber manchmal Wachstafeln, auf die sie Entwürfe schrieben, um Fehler zu vermeiden, bevor sie mit dem eigentlichen Schreibprozess begannen, z.B. wenn es sich um wichtige Dokumente handelte. In der Saga von Bischof Lárentíus kann man nachlesen, wie dieser bei seiner Arbeit Wachstafeln benutzte.
Die Herstellung der Tafeln ging so vor sich, dass man heißes Wachs in einen kleinen Holzrahmen goss, es abkühlen ließ und anschließend mit einem Griffel darauf schrieb. Man konnte die Tafel immer wieder benutzen, indem man die Oberfläche des Wachses abschabte, bis es aufgebraucht war. Dann goss man erneut Wachs in den Rahmen. Die einzigen Wachstafeln, die auf Island erhalten geblieben sind, stammen vermutlich aus dem 16. Jahrhundert und sind in Viðey gefunden worden, wo es wahrscheinlich zu jener Zeit eine Schule gab. |