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Die Anfänge des Sammelns

Auf Island erwacht das antiquarische Interesse
Der Zeitraum von der Reformation 1550 bis 1770 wird auf Island oft als „Epoche der Gelehrsamkeit“ (lærdómsöld) bezeichnet. Im Zusammenhang mit lutherischem Glauben, Buchdruck und der Verwendung von Papier stieg das Bildungsniveau damals stark an. Das Übertragen von Texten von Pergament auf Papiersowie die systematische Erfassung alter Schriftzeugnisse geschahen im Zeichen des Humanismus, der auf Island um 1600 Fuß fasste. Im nördlichen Europarichtete sich das Interesse der Humanisten nicht nur auf die Geschichte und Kultur der Völker des klassischen Altertums, sondern auch auf das eigene kulturelle Erbe. Die Entstehung wie auch die Stoffe der isländischen Pergamenthandschriften erweckten daher das Interesse der Altertumsforscherim Norden.

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Die königliche Bibliothek in Kopenhagen. Bild David Kristinsson.

Druck und historische Überlieferung 
Nachdem um 1450 Gutenbergs Buchdruck aufgekommen war, wurde es möglich, Bücher schneller und besser als zuvor und in Massen zu produzieren. Die neue Technik bedeutete eine Revolution der Buchherstellung und führte dazu, dass bis zum Jahre 1500 30 000 Buchtitel in Europa gedruckt wurden, darunter einige lateinische Werke klassischer Autoren. In Nordeuropa begann der Druck lateinischer Werke der Antike und des Mittelalters um 1500. Die ersten historischen Schriften erschienen in Frankreich und Deutschland, darunter die Kirchengeschichte des Priesters Beda (Historia ecclesiastica gentis Anglorum, aus dem Jahre 731), die Geschichte der Könige Britanniens nach Geoffrey von Monmouth (Historia Regum Britanniae, aus dem Jahre 1136) und die Geschichte der Franken des Gregor von Tours (Decem Libri Historiarum oder Historia Francorum, um 590).

Quellen zurFrühgeschichteder nordischen Länder
Anfang des 16. Jahrhunderts begann man in Schweden, Dänemark und Norwegen mit der Vorbereitung, dem Beschaffen von Material und dem Schreiben für eine Druckausgabe der Geschichte der nordischen Länder. Norwegen gehörte damals zum dänischen Reich. Die Geschichtsschreibung war mit der nationalen Identität der Länder verknüpft. Zu dieser Zeit wandelten sich die Königreiche von Ständesstaaten zu absolutistischen Monarchien, der dominierenden Herrschaftsform zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert in Europa. Dies markierte den Beginn der Staatsmacht und der Nationalstaaten in der uns heute bekannten Form.

Eine der wichtigsten Quellen der Dänen zu ihrer Geschichte, die Dänengeschichte von Saxo Grammaticus (Gesta Danorum, um 1200), wurde zunächst im Jahre 1514 in Paris auf Latein in der Ausgabe Christiern Pedersens (etwa 1480 - 1554), als erstes Buch des Nordens gedruckt. Pedersen begann auch eine dänische Übersetzung des Werkes, verstarb allerdings vor der Fertigstellung. Anders Sørensen Vedel (1542-1616) führte die Arbeit fort, so dass die Übersetzung im Jahre 1575 erscheinen konnte. Fünf Jahre später gab Vedel ein weiteres bedeutendes Werk zur Geschichte der nordischen Länder heraus, Adams von Bremen Hamburgische Kirchengeschichte (Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum, um 1075), welche damit erstmals in gedruckter Form erschien. Beide Ausgaben wurden zu einer wichtigen Quelle für Forschungen zur nordischen Altertumskundeund Geschichte.

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Titelblatt des Brevis Commentarius de Islandia von 1593. Der für heutige Leser etwas umständlich wirkende Titel ist typisch für seine Zeit. Verwendet mit Erlaubnis der Nationalbibliothek Islands – Universitätsbibliothek Islands.

Verteidigungsschrift für Island
Auf Island hatte GuðbrandurÞorláksson (geb. 1541/42), der Bischof in Hólar (von 1571 bis 1627), großen Einfluss auf den beginnenden Humanismus. Ihm missfielen negative und oft falsche Vorstellungen gelehrter Europäer über Land und Leute, so dass er seinen nahen Verwandten Arngrímur Jónsson den Gelehrten (1568-1648), der Rektor an der Lateinschule in Hólar war, dazu brachte, eine Art Verteidigungsschrift Islands zu verfassen. Das Ergebnis war ein Text auf Latein, der Sprache der Wissenschaftler, namens Brevis Commentarius de Islandia (Kurzer Aufsatz über Island). In diesem Text zitierte Arngrímur zur Stützung seiner Sache isländische Pergamenthandschriften. In Skálholt scheinen ähnliche Gedanken vorherrschend gewesen zu sein, denn Oddur Einarsson, dortiger Bischof (geb. 1559, Bischof 1589-1630), schrieb etwa gleichzeitig eine lateinische Beschreibung Islands, als er als erster damit begann, isländische Handschriften zu sammeln.

Arngrímurs Schrift Brevis Commentarius erschien 1593 in Kopenhagen. Dort hatte er den vorangegangenen Winter verbracht und hoch geachtete Wissenschaftler kennengelernt, wie etwa Arild Huitfeldt (1546-1609), den Staatsrat und Geschichtsschreiber des Königs, der zwischen 1595 und 1604 Danmarks Riges Krønnike herausgab. Dieses Werk war damals schon lange Zeit in Vorbereitung gewesen, denn Christiern Pedersen, Anders Sørensen Vedel und dessen Schwiegervater, Hans Svaning (1503-1584), hatten alle an dem Werk gearbeitet, bevor Huitfeldt es schließlich vollendete.

Interesse an isländischen Handschriften
Der Brevis Commentarius erregte einige Aufmerksamkeit und wurde zum Beispiel im Jahre 1599 in einer englischen Übersetzung herausgegeben. Später verfasste Arngrímur weitere Schriften über die Geschichte und die Natur Islands und der nordischen Länder. Einige davon wurden ins Englische, Holländische oder Deutsche übersetzt. Eine der bekanntesten Schriften ist Crymogæa (Island oder Raureifland auf Griechisch), die 1609 in Hamburg erschien und die gesamte isländische Geschichte behandelt.

Arngrímur war bestrebt, die Stoffe der isländischen Pergamenthandschriften zu untersuchen und stand mit zahlreichen ausländischen Wissenschaftlern in Briefwechsel. Er übersetzte isländische Texte ins Lateinische und machte isländische Handschriften ausfindig, zum Beispiel für den Historiker Niels Krag (1550 bis 1602) oderden Runen- und Altertumskundler Ole Worm (1588-1654). Worm hatte auch zu vielen anderen isländischen Amateur-Altertumskundlern Briefkontakt und erwarb eine Vielzahl isländischer Handschriften, darunter eine der Snorra-Edda, die später nach ihm benannt wurde und daher Codex Wormianus heißt.

Sammlung von Handschriften unter dänischer und schwedischer Schirmherrschaft
Arngrímurs Schriften informiertenWissenschaftler über isländische Texte des Mittelalters, von denen einige als bedeutende Quellen zur Geschichte der nordischen Länder galten. Auch die Schweden arbeiteten an einer eigenen Nationalgeschichte, verfügten aber über keine historische Schrift, die mit Saxos dänischer Geschichte vergleichbar gewesen wäre. Außerdem waren sie der Ansicht, in der Schrift Adams von Bremen nicht in positives Licht gerückt worden zu sein. Daher war es ihnen sehr wichtig, an isländische Handschriften zu gelangen, die Informationen über die frühesten (legendären) schwedischen Könige enthielten und so als Quellen dienen konnten. So betrieben sowohl dänische als auch schwedische Historiker eine intensive Suche nach isländischen Handschriften bzw. Abschriften mit Inhalten, die für sie von Interesse waren. Diese Sammeltätigkeit erreichte Mitte des 17. Jahrhunderts ihren Höhepunkt.

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Das Hauptgebäude der Universitätsbibliothek in Uppsala. In der Handschriftenabteilung liegen bedeutende isländische Handschriften, beispielsweise die Uppsalaedda DG 11 4to, eine der ältesten Handschriften der Snorra-Edda. Sie wird auf den Beginn des 14. Jahrhundertsdatiert. Bild von Wikipedia.

Die Schweden stocken vermehren ihren Handschriftenbestand
Die Schweden machten ihren Mangel an Quellen durch Buchkäufe und Kriegsbeute wett. Beispielsweise kaufte Kanzler Magnus Gabriel de la Gardie (1622-86) im Jahre 1652 alle Handschriften des dänischen Wissenschaftlers Stephanus Stephanius (gest. 1650) von dessen Witwe auf und schenkte sie 1669 der Universitätsbibliothek in Uppsala. Als die Schweden 1658 Seeland eingenommen hatten, verlegten sie die große Bibliothek des Dompropstes Jørgen Seefeldt (1594-1662) von Roskilde nach Stockholm. Die Sammlung umfasste ca. 26 000 Bände. Einige Handschriften daraus gingen später in die dortige Königliche Bibliothek über. In beiden Bibliotheken fanden sich isländische Pergamentbücher, welche Bischof Brynjólfur Stephanius und Seefeldt geschenkt hatte.

Im Jahre 1658 kaperten die Schweden ein dänisches Handelsschiff, das gerade aus Island kam. Am Bord befand sich ein junger Isländer, Jón Jónsson von Rúgstaðir, der sich später in Schweden Jón Rugmann nannte. Er hatte einige Handschriften im Gepäck, unter anderem mit Geschichten über schwedische Könige der Vorzeit, wie etwa die Heiðreks saga, die Bósa saga og Herrauðs, die Gautreks saga und die Hrólfs saga Gautrekssonar. Jón wurde daher nach Uppsala geschickt, wo der Historiker Olof Verelius Hilfe mit der alten Spache der Quellen, die die Schweden als Götisch bezeichneten, benötigte. Dort arbeitete Jón dann bis zu seinem Lebensende als Schreiber und Übersetzer.

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Etagen voller Bücher in der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen.
Bild David Kristinsson.

Handschriften- und Büchersammeltätigkeit des Dänenkönigs
Der dänische König Frederik III (geb. 1609, König 1648-1670), der erste Alleinherrscher über Dänemark und Island, war ein großer Sammler und Liebhaber von Büchern. Die königliche Bibliothek in Kopenhagen wurde auf seine Initiative hin gegründet und baute auf seiner Privatsammlung auf. König Frederik bat Brynjólfur, den Bischof von Skálholt, 1656 in einem Brief, isländische Handschriften und Geschichtsbücher für sich in Brynjólfurs Sammlung ausfindig zu machen. Brynjólfur, der selbst Magister der Altertumskunde sowie Besitzer der größten Sammlung isländischer Pergamentbücher seiner Zeit war, sah keine Möglichkeit, die Texte zu Hause in Druck zu geben. Er schickte dem König daher zwei Buchsendungen mit höchst bemerkenswerten Handschriften, nicht zuletzt in der Absicht, diese im Ausland herausgeben lassen zu können.

Die Königsbücher aus der Sammlung Frederiks III
In der ersten Sendung Brynjólfurs befanden sich Bücher aus dessen eigener Sammlung, die Flateyjarbók (GKS 1005 fol.), die Konungsbók Grágásar (GKS 1157 fol.), die Völsunga saga, die Ragnars saga loðbrókar (NKS 1824 b 4to) sowie einige Papierhandschriften. In der zweiten Sendung befanden sich unter anderem das Rímfræði (GK 1812 4to), ein Lehrbuch der Komputistik, Königsannalen (GKS 2087 4to), die Morkinskinna (GKS 1009 fol.), die Gráskinna der Njáls saga (GKS 2870 4to) und zudem die Snorra-Edda und Eddalieder in Handschriften, die Königsbücher genannt werden (GKS 2367 4to und GKS 2365 4to). Die meisten der Eddalieder sind allein in dieser einen Handschrift überliefert. Sie ist auch unter dem lateinischen Namen Codex Regius bekannt.

Isländische Handschriften in ausländischen Bibliotheken
Die allermeisten isländischen Pergamenthandschriften des Mittelalters wurden in vier Bibliotheken außerhalb Islands aufbewahrt. Jene Handschriften, die Árni Magnússon und dessen Zeitgenossen nicht erwerben und außer Landes bringen konnten, sind in der Regel verloren gegangen. Alle vier Sammlungen wurden im 17. Jahrhundert gegründet. Es handelt sich um die Universitätsbibliothek in Uppsala und die Königliche Bibliothek in Stockholm sowie die Königliche Dänische Bibliothek und die Arnamagnaeanische Sammlung in Kopenhagen. Diese vier Sammlungen bewahren ca 700-800 unterschiedlich gut erhaltene isländische Handschriften des Mittelalters, davon etwa 500 aus Árnis Sammlung. Das Zeitalter der Pergamentbücher dauerte auf Island bis über das Mittelalter hinaus an und insgesamt wurden etwa 1000 Pergamenthandschriften bewahrt, nicht zu vergessen die Papierhandschriften, die in die Tausende gehen.

Nach der Einigung im Handschriftenstreit trafen Isländer und Dänen ein Abkommen zum Austausch isländischer Handschriften zwischen den Ländern. Daraufhin wurden 1666 Handschriften und Fragmente aus Árnis Sammlung und 141 Handschriften aus der Königlichen Bibliothek, zudem 1345 Urkunden im Original und fast 6000 Abschriften alter Briefe nach Reykjavík gebracht. Sie befinden sich nun in der SSammlung Árni Magnússon für isländsiche Studien. In der Arnamagnaeanische Sammlung in Kopenhagen befinden sich immer noch ca 1400 Handschriften, manche sind teils auch dänisch oder norwegisch, sowie andere Dokumente.

über den Codex Wormianus der Snorra-Edda
über die Reinigung einer Handschrift mit Urin
über die Beschreibung Islands im 17. Jahrhundert
über das Sammeln von Handschriften für die Könige