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Literarische Bildung findet ihren Weg nach Island

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Mit der im Laufe des Mittelalters zunehmenden Zahl von Studenten an Domschulen und Universitäten stieg der Bedarf an Büchern und die Notwendigkeit der Buchproduktion. Hier sieht man König Heinrich, der eine Vorlesung vor einer Gruppe von Studenten der Universität von Bologna hält, einer der ältesten Universitäten Europas. Das Manuskript ist preußisch, aus dem 14. Jahrhundert, Bildarchiv Preussischer Kulturbesitz, Berlin Miniature 1233, Kupferstich-kabinett smpk.

Die Entwicklung der Kirche und der Buchkultur auf Island
Die isländische Buchkultur des Mittelalters ist ein Sproß christlicher europäischer Buchkultur, die sich hauptsächlich der lateinischen Sprache bediente. Unter Anpassung an die jeweiligen Gegebenheiten und gesellschaftlichen Umstände im Land entwickelte sie sich weiter. Ihre Besonderheit besteht in der Vielfalt der Stoffe, über die in der Landessprache geschrieben wurde und die in Pergamenthandschriften aus dem Mittelalter oder jüngeren Papierabschriften, welche die Texte der mittelalterlichen Werke überliefern, bewahrt worden sind. Es gibt viele Gründe dafür, warum auf Island so vieles eher in der Volkssprache als auf Latein verfasst wurde, der Sprache der Kirche und der Wissenschaft im westlichen Europa. Die erhaltenen Handschriften geben allerdings kein klares Bild davon, wie viele lateinische Bücher zu katholischer Zeit tatsächlich im Land existierten, so dass es unmöglich ist, den Anteil lateinischer und volkssprachlicher Schriften in dieser Zeit zu bestimmen. Dies ist vor allem auf die Zerstörung katholischer Schriften nach der Reformation im Jahre 1550 sowie das geringere Interesse von Handschriftensammlern des 17. Jahrhunderts an entsprechenden Büchern zurückzuführen. Die Frage, unter welchen Umständen sich die Sagas als literarisches Genre etablierten, insbesondere der Isländersagas, und wie sie sich entwickelten, so dass alte Dichtung und Mythologie in den Werken christlicher, mittelalterlicher Autoren erhalten geblieben ist, hat die Forschung stets beschäftigt.

Die Besiedelung durch die Landnehmerund die nordische Kulturgesellschaft
Erklärungen für die Sonderstellung der isländischen Literatur des Mittelalters wurden unter anderem in gesellschaftlichen, kulturellen und geografischen Faktoren gesucht, von der Landnahme  bis zum Beginn der Schriftkultur ab dem 12. Jahrhundert. Die Neuansiedler stammten aus den verschiedensten Regionen, sodass die unterschiedlichsten Stoffe, Motive und Versformen im Rahmen einer neuen Kultur zusammenkamenMöglicherweise überleben so auch Wissen, Gedichte und Geschichten aus den "alten Ländern" als Teil der Erinnerung derer, die ihre Heimat verließen,wodurch sie zu einem Teil der Gründungsgeschichte des "neuen Landes" werden. Die Niederschrift ihrer Geschichten kann auch die Funktion gehabt haben, Besitzstand und Macht herrschender Oberschichtfamilien zu legitimieren, durch einen Verweis auf die Vererbung des Landes von der Zeit der Landnahme an und die Verwandtschaft mit jenen, die damals das Land in ihren Besitz nahmen und das politische System des Landes formten.

Nordische Siedlungen gab es in der Landnahmezeit in England, Schottland, Irland, auf den britischen Inseln, in Nordfrankreich und andernorts, manche bestanden noch über die Annahme des Christentums auf Island hinaus. Die ältesten Schriften in Norwegen und auf Island zeigen Übereinstimmungen mit der englischenPaläographie. Das Schreiben in der Muttersprache war schon ab dem 9. Jahrhundert verbreitet, nicht nur bei den Angelsachsen, sondern auch bei den Iren. Möglicherweise hatten sich Isländer und Norweger dies für das Schreiben in ihrer eigenen Muttersprache zum Vorbild genommen, denn diese nutzten  die nordische Sprache gleichberechtigt mit Latein, unter anderem für Urkunden und Briefe innerhalb des Erzbistums von Niðarós (Trondheim), das das westnordische Sprach- und Kulturgebiet abdeckte. Vermutlich hat dies das Verfassen von Geschichten und gelehrten Werkenin der Muttersprache noch weiter befördert, denn das nordische Sprachgebiet war ja viel größer als Island allein.

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Blick in die Almannagjá in Þingvellir, wo jeden Sommer das Althing zusammentrat.

Die Besonderheit der Gesellschaft
Die Wurzeln der Niederschrift der Sagas und der breitgefächerten volkssprachlichen Literatur wurden auch in der Gesellschaftsform der isländischen Freistaatszeit gesucht, d.h. der Zeit der Oligarchie, die Bestand hatte bis Island in den Jahren zwischen 1262 und 1264 Teil des norwegischen Königreiches wurde. Enge Verwandtschafts- und Wirtschaftsbeziehungen der Menschen im Land und das Streben bekannter einheimischer Häuptlinge oder Familien nach Macht und Einfluss, auch danach, dass sich die Isländer der norwegischen Krone unterwürfen, könnten ebenfalls Licht auf Inhalte und Formen der Buchkultur des Mittelalters werfen. Denn die Genealogien, die man an vielen Stellen in mittelalterlichen Werken findet, sind alles andere als "unnötige Zusatzinformationen". Vielmehr können sie Hinweise zur Entstehung der Texte geben, wie etwa zu Auftraggebern der Werke, Autoren oder Schreibern - wie auch zu den Absichten, die hinter ihrer Niederschrift, Abschrift oder gar Umarbeitung steckten.

Dass auf Island die Höfe weit verstreut lagen und sich keine größeren Siedlungen bildeten, machte die isländische Gesellschaft möglicherweise statischer als andernorts in Europa. Dort prägte die Entstehung von Städten, die Gründung von Dom- und Klosterschulen, Hof- und Privatschulen, und später Universitäten, das Wissen und die Buchkultur von Geistlichen und Obrigkeit zweifelsohne stärker als in einem dünn besiedelten Land mitten im Atlantischen Ozean. Island war im Mittelalter dennoch keineswegs kulturell isoliert. Zahlreiche aus dem Mittelalter erhalten gebliebene Werke lassen auf Island die Einflüsse ausländischer Kultur und Verbindungen zur europäischen Buchkultur erkennen. Nichtsdestotrotz lag das Land in einiger Entfernung von den Zentren kirchlicher – ab 1262/64 auch königlicher – Macht. Neue Strömungen erreichten Island oft verzögert oder nur in abgeschwächter Form, ob sich diese nun auf Königsherrschaft, Kirchenpolitik oder Buchgelehrsamkeit bezogen.

Die Anfänge der Kircheund die Gelehrsamkeit im Land
Die Herausbildung der einheimischen Kirche und der Versuch isländischer Gelehrter, dem Land einen Platz in der Geschichte und dem Weltbild der christlichen Länder zuzuweisen, zu denen nun auch die nordischen Länder gehörten, hatten nicht zuletzt Einflussauf die Buchkultur des Mittelalters. Bis in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts bestanden enge Beziehungen zwischen kirchlicher und weltlicher Macht auf Island. Die Anfangsjahre der isländischen Kirchengeschichte werfen so möglicherweise auf die Einführung und die Anpassung der Schriftkultur an die Gesellschaft.

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Christus auf dem Thron aus einem Fragment eines Messgesangbuchs aus Höskuldsstaðir, AM Dipl. Isl. Fasc. V 12. Hier war der A-Zeichner der Teiknibók, AM 673 a III 4to, am Werk.

Eine Welt christlicher Kultur
Mit der katholischen Kirche kamen europäische Kultureinflüsse in die nordischen Länder und in das am Rande der christlichen Welt liegende Island, wo man das europäische Weltbild und die europäische Bildungstradition kennenlernte und Teil daran nahm. In Europa wurden in den Schulen die sogenannten sieben freien Künste unterrichtet. Dieses Ausbildungssystem war ein Erbe der klassischen römischen Antike. Theologie war Eckpfeiler der christlichen Bildung und Hauptunterrichtsfach. Diesen Platz hatte bei den Römern noch die Philosophie oder das Rechtswesen innegehabt. Es ist nicht sicher, ob die Bildung überall auf dem Kontinent gleich aussah, doch wird man immer ein gewisses Mindestmaß von den Dienern der Kirche verlangt haben.

Die sieben freien Künste
Im Mittelalter waren die freien Künste in das Trivium und das Quadrivium aufgeteilt, also danach, ob Worte oder Dinge behandelt wurden. Das Trivium umfasste jene Fächer, die sich mit der Sprache beschäftigten, in Grammatik wurde Latein unterrichtet, in Dialektik und Logik wurde den Studenten beigebracht, das Denken zu strukturieren, und in Rhetorik, wie man dieses in angemessener Form äußert. Auf Island wurden diese Fächer früher oft "Lateinkunst", "Streitbuch" und "Sprachgeschick" genannt (latínulist, þrætubók und málsnilld).

Das Quadrivium bestand aus vier Fächern, die sich mit den 'Dingen' (nach mittelalterlichem Verständnis) befassten: Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik. Die Kombination dieser vier Fächer ist uralt und bis in die Schule des Pythagoras auf Sizilien um 500 v. Chr zurückzuführen. Musik und Astronomie gehörten zur Mathematik, weil Musik gleichzeitig Dreisatzlehre war und Astronomie eine Art angewandter Geometrie,mitder man den Kalender berechnete. Zusammengefasst wurden diese Fächer unter der Bezeichnung "Die sieben freien Künste" (septem artes liberales), manchmal auch "Die sieben Hauptdisziplinen".

Das Bildungswesen der Karolinger
Der fränkische König Karl der Große (742-814), oder Charlemagne (lat. Carolus Magnus), unterwarf und vereinte  Westeuropa zu einem Großreich. Er setzte sich stark für kulturelle Reformen in seinem Reich ein und gewann den Angelsachsen Alkuin von York für die Leitung dieses Vorhabens. Im Jahre 800 wurde Karl zum Kaiser Karl I. des römischen Weltreiches gekrönt. Kurz zuvor hatte er angeordnet, dass in jeder Diözese und jedem Kloster Davidspsalme, Notenlesen und Gesang, aber auch Mathematik und Grammatik, die zu den freien Künsten gehörten, unterrichtet werden sollten.

Im Mittelalter galt Karl der Große in Europa als Idealbild des christlichen Herrschers und sein Bildungsprogramm war weit verbreitet. König Håkon IV. Håkonsson, von Norwegen, der von 1217 bis zu seinem Tod 1263 regierte, ließ beispielsweise die Karlamagnús saga in nordischer Sprache aus französischen Epen zusammenstellen. Diese Saga hat sich in isländischen Manuskripten (das älteste ist AM 180 c fol, zwischen 1375 und 1425) erhalten. Sie existiert auch in einer schwedischen Handschrift aus der Sammlung Árni Magnússons, AM 191 fol, die Ende des 15. Jahrhunderts im Kloster Askeby im Osten der Insel Gotland in Schweden geschrieben wurde.

über das Bildungsprogramm der Karolinger und Alkuins von York
über die Karolingerschrift
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über die Gründung von Universitäten in Europa