Wiederverwertung von Pergament

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Pergamentbogen aus der Gísla saga, der als Umschlag für ein anderes Buch gedient hat (AM 445 c I 4to).

Vielseitige Nutzung von Pergamentblättern
Es wird davon ausgegangen, dass veraltete und ausgediente Bücher von dem Zeitpunkt an, als man begann, auf Pergament zu schreiben,  auf die eine oder andere Art wiederverwertet wurden. Viele einzelne Blätter aus Manuskripten haben sich gerade deshalb erhalten, weil man eine andere Verwendung für sie gefunden hatte. Oft verhält es sich so, dass bemerkenswerte Stoffe komplett verloren gegangen wären, wenn nicht diese kleinen Überreste von wiederverwerteten Pergamentbüchern erhalten geblieben wären. Pergament eignete sich nicht für Schuhe, auch wenn die Isländer meist schlechtes Schuhwerk besaßen, doch es gab viele andere Möglichkeiten, es zu nutzen. Es wurde z.B. oft als Buchumschlag, aber auch als Schnittmuster für Kleidungsstücke oder als Mehlsieb benutzt, wie man an den Beispielen auf dieser Seite sehen kann.

Wenn der Inhalt von Büchern veraltet war oder überarbeitet werden sollte, wurde manchmal Tinte weggewischt oder vom Pergament geschabt. Die Blätter wurden dadurch selbstverständlich dünner und büßten viel von ihrer Qualität ein und nur selten gelang es, die alte Tinte gänzlich zu entfernen, die oft noch durchscheint. Pergamentblätter oder Bücher, die so bearbeitet worden sind, nennt man Palimpseste.

Das Schicksal der Reykjafjarðarbók
Im 17. Jahrhundert existierte ein hervorragendes Manuskript der Sturlungasaga, vermutlich um 1400 geschrieben, das im Besitz von Gísli Jónsson aus Reykjarfjörður war. Er verlieh das Buch und es wurde nass, woraufhin sich die Seiten daraus lösten. Außerdem war es dunkel geworden und hatte begonnen zu verrotten, weshalb es schwer zu lesen war. Daher wurde es zerrissen und die einzelnen Blätter zu Umschlägen für kleinere Bücher oder zu Scheiden für Messer umfunktioniert. Ähnlich ist es wahrscheinlich im Lauf der Zeit vielen anderen Manuskripten ergangen.

Der Handschriftensammler Árni Magnússon erfuhr von diesem Manuskript, verstand dessen Wert und machte es sich zur Aufgabe, alle Überreste davon zu sammeln. In der Zeit von 1701-24 bekam er Überreste von 30 losen Pergamentblättern zusammen, die alle mehr oder weniger beschädigt waren. Um die 150 Seiten des Buches waren verloren gegangen. Die Überreste der Reykjafjarðarbók werden unter der Signatur AM 122 b fol. aufbewahrt. Unten sind zwei Seiten zu sehen, die deshalb zum Teil erhalten geblieben sind, weil sie als Schnittmuster für Kleidungsstücke gedient hatten, bis Árni sie an sich nahm. Trotz des Verlustes des Textes über die Sturlungen auf diesen Seiten muss man bedenken, dass die Schnittmuster zumindest als Quelle für den Kleidungsstil des 17. Jahrhunderts dienen.

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Die Reykjafjarðarbók der Sturlunga saga AM 122 b fol. ist heute in schlechtem Zustand. Einige Blätter aus dem Buch wurden als Schnittmuster für eine Jacke benutzt.

Ein Teil der Vorderseite einer Jacke (Reykjarfjarðarbók AM 122 b fol.).

Palimpsest. Der Text auf dieser Seite der Heynesbók AM 147 4to ist vom Pergament abgeschabt worden, um einen anderen darauf schreiben zu können.

 

 

 

 

 

 

 

 



 

 

Mehlsieb aus Blättern eines naturwissenschaftlichen griechischen Werkes
Im 12. Jahrhundert wurde ein naturwissenschaftliches griechisches Werk mit dem Namen Physiologus (AM 673 a I 4to) ins Isländische übersetzt. Schon früh wurde es ins Lateinische und dann in zahlreiche weitere Sprachen übersetzt. Glücklicherweise sind zwei zusammenhängende Seiten dieses bemerkenswerten Manuskriptes erhalten geblieben, da man eine andere Verwendung für sie gefunden hatte. Sie wurden in Dýrafjörður in den Westfjorden als Mehlsiebe gebraucht. Wie man auf den Bildern erkennen kann, sind Löcher im Pergament, von denen einige von Bücherwürmern und andere von Menschenhand stammen können, wie zum Beispiel die größeren Löcher, die zur Befestigung oder für einen Rahmen gemacht wurden, als man das Blatt als Sieb benutzte.

In der Schrift werden verschiedene Lebewesen und Tieren aus christlicher und erbaulicher Sichtweise beschrieben. Jedes Tier bekommt in Übereinstimmung mit der christlichen Lehre eine Bedeutung zugeschrieben, entweder eine gute oder eine schlechte. Auf den unbeschriebenen Blättern sind Illustrationen zu sehen, die die Vorstellung der Menschen im Mittelalter von fernen und fremden Völkern widerspiegeln. Diese illustrierten Seiten gelten als ältestes bewahrtes Beispiel für isländische Illuminationen. Die Bilder auf beiden Seiten des Pergamentblattes, das man hier unten sehen kann, gehen vermutlich auf angelsächsischen Vorbilder zurück. Dieses und ein weiteres Fragment des Physiologus fand Árni Magnússon zusammen mit der Teiknibók („Zeichenbuch”) in den Westfjorden. In den anderen skandinavischen Ländern sind keine Manuskripte mit Texten des Physiologus erhalten geblieben.

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Doppelseite aus dem Physiologus, in die Löcher gemacht wurden, um sie als Mehlsieb zu benutzen (AM 673 a I 4to).

Die Rückseite desselben Blattes aus dem Physiologus AM 673 a I 4to. Das Buch handelt von verschiedenen wunderlichen Kreaturen, die in fernen Ländern leben.

 

 

 

Auf der linken Seite der Handschrift Physiologus AM 673 a I 4to stehen drei Textabschnitte, die im Deutschen etwa folgendermaßen lauten:

Die Sirene symbolisiert mit dem Liebreiz ihrer Stimme die Süße der weltlichen Wonnen, derer sich die Menschen in dieser Welt erfreuen, damit sie nur diese wahrnehmen und schließlich einschlafen und keine guten Werke mehr tun. Das Tier aber nimmt die Menschen und lässt sie zugrunde gehen, wenn sie durch die liebliche Stimme einschlafen. So gehen viele an ihrem vergnüglichen Leben zugrunde, wenn es ihnen in dieser Welt allein danach verlangt.

 

 


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