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Die Arbeit

Stækkaðu myndina Stækkaðu myndina enn meira
Nonne in der Stjórn AM 227 fol.

Kirchen, Klöster und Gutshöfe
Geschrieben wurde auf Island mit Sicherheit in Klöstern von Mönchen und Nonnen, denn es ist anzunehmen, dass das Schreiben von Büchern wie andernorts in Europa auch für viele von ihnen eine der Hauptbeschäftigungen war. Bücher wurden jedoch auch auf großen Gutshöfen geschrieben, denn viele Söhne und eventuell auch Töchter reicher Bauern, die nicht in den Dienst der Kirche traten und somit nicht Priester wurden, lernten schreiben und konnten daher ebenso wie die Diener der Kirche Bücher niederschreiben.

Es gibt einige Anhaltspunkte dafür, dass Schreiber sowohl inner- als auch außerhalb der Kirche tätig waren. Zum einen ist da die große Menge an mittelalterlichen Büchern, die bis in unsere Zeit erhalten geblieben ist. Da die Klöster auf Island wesentlich kleiner waren und nicht so viele Mönche oder Nonnen in ihnen wohnten wie andernorts in Europa, muss es angesichts der Menge an Büchern offenbar auch außerhalb der Kirchen und Klöster schreibkundige Menschen gegeben haben.

Smelltu á myndina til þess að sjá hana í fullri stærð
Stækkaðu myndina Stækkaðu myndina enn meira
Mann beim Lesen eines Diploms (Reykjabók AM 345 fol.)

Zum anderen handeln die erhaltenen mittelalterlichen Bücher von viel mehr als nur kirchlichen Stoffen. Es muss somit schreibende Leute gegeben haben, die das Interesse und den Antrieb hatten, solche Bücher zu schreiben, so z.B. altnordische Götterlieder oder Geschichten von vorzeitlichen Helden, die auf Raubzüge gingen und heidnischen Göttern opferten. Bekannte Mönche schrieben jedoch ebenfalls Bücher, die nicht religiösen Inhalts waren, wie etwa Königssagas, von denen allerdings einige vom Leben von Königen erzählen, die später zu Heiligen der christlichen Kirche wurden.

Darüber hinaus hat man die Handschriften in mittelalterlichen Diplomen untersucht und sie mit denen in erhaltenen Büchern verglichen. Dabei zeigte sich, dass viele Bauernsöhne dem Schreiben nachgingen. Aber ebenso wie die Mönche auch auf Bestellungen von Einzelnen außerhalb der Kirche Königssagas und andere Texte schrieben, die nicht direkt innerhalb der Kirche verwendet wurden, schrieben Bauernsöhne auch religiöse Schriften.

Smelltu á myndina til þess að sjá hana í fullri stærð
Stækkaðu myndina Stækkaðu myndina enn meira
Männer mit Diplomen (Reykjabók AM 345 fol.)

 

Berufsschreiber
Mit der Zeit bildete sich auf Island wahrscheinlich eine Schicht von Berufsschreibern heraus, was sich daraus schließen lässt, dass sich oft dieselben Handschriften in mehr als einem Manuskript oder sogar in vielen verschiedenen Manuskripten finden. Diese Tatsache deutet darauf hin, dass derselbe Schreiber einen guten Teil seines Berufslebens aufs Schreiben verwendet hat, auch wenn das nicht ausschließt, dass er parallel in anderen Bereichen tätig war. Eine bestimmte Ausbildung war Voraussetzung dafür, Bücher schreiben zu können, jedoch hatten nicht alle in der mittelalterlichen Gesellschaft Zugang zu dieser Art von Bildung. Das gemeine Volk hatte im Mittelalter nur sehr selten die Möglichkeit, sich diese Kenntnisse anzueignen oder das Schreiben zum Beruf zu machen

Viele reiche Leute, die Zugang zu Bildung und folglich zu den Fertigkeiten hatten, die fürs Schreiben notwendig waren, schrieben, wenn sie die Zeit dazu hatten, aller Wahrscheinlichkeit nach Bücher ab oder kompilierten den Inhalt eines Buches aus mehreren Manuskripten, die sie besitzen wollten. Berufsschreiber schrieben zweifellos das ein oder andere Buch für den Eigengebrauch oder taten Freunden und Verwandten einen Gefallen, indem sie beliebte Geschichten abschrieben.

Die Bücher unterschieden sich sehr in Aussehen und Qualität, je nachdem wer sie schrieb und für wen sie gedacht waren. Daran lässt sich auch sehen, dass es zum einen erfahrene Schreiber gab, die Bücher aus guten Materialien für hochstehende Persönlichkeiten, Könige oder die Kirche herstellten, aber andererseits auch manchmal weniger erfahrene Hände den Federkiel führten und Bücher auch aus schlechteren Materialen gefertigt wurden.

Obwohl es im Mittelalter eine große Menge an Schreibern gab, sind die meisten dieser Handwerksleute ebenso wie all die anderen, die an der Buchproduktion beteiligt waren (z.B. Pergamentmacher und Illuminatoren), namentlich nicht bekannt. Es war nämlich nicht üblich, das Manuskript, das man geschrieben hatte, mit seinem Namen zu versehen. Glücklicherweise haben die Schreiber in den Handschriften jedoch oft Spuren in Form von Kommentaren auf den Rändern hinterlassen. In einigen wenigen Fällen geben Schreiber an, das ganze Manuskript oder einen Teil davon geschrieben zu haben. Häufiger jedoch muss man die Kommentare und die Namen auf den Rändern untersuchen und sie mit anderen Diplomen vergleichen, um die Namen einiger weiterer Schreiber herauszufinden und ein besseres Bild von den Bedingungen der Schreiber im Mittelalter zu erhalten.

Stækkaðu myndina Stækkaðu myndina enn meira
Schreiber hatten im Mittelalter mit verschiedensten Schwierigkeiten zu kämpfen. Der Schreiber Hildeberti und sein Lehrling Everwinus in einem Buch von um 1140, das heute in Prag aufbewahrt wird. Auf dem Bild ist die Arbeitsumgebung von Schreibern im Mittelalter zu sehen.

Die Lebensbedingungen der Schreibern
Die Schreiber wurden ihrer Arbeit oft überdrüssig, was angesichts ihrer Arbeitsbedingungen nicht verwundert. Ein Buch zu schreiben konnte lange dauern, sogar einige Jahre. Die Arbeitsleistung eines Schreibers war jedoch von vielen Dingen abhängig, u.a. von den Vermögensverhältnissen derjenigen, die das Buch fertigen ließen, davon ob er sich ausschließlich auf das Schreiben konzentrieren konnte, davon wie viel Material für das Buch vorhanden war, wie auch vom Wohlergehen des Schreibers und den äußeren Bedingungen, um nur einiges zu nennen.

Auf den Rändern von Handschriften kann man lesen, wie Schreiber sich über Müdigkeit und die Länge der Arbeit beklagen und wie erleichtert sie darüber sind, endlich ein schwieriges Werk vollendet zu haben. Einigen, wie diesem isländischen Schreiber, ist ganz und gar nicht zum Lachen zu Mute:

  „Ich mag nicht mehr schreiben“  

Er ist auch mit der Tinte unzufrieden: Vont er skrif því veikt er blek. „Schlimm ist das Schreiben, denn schwach ist die Tinte”. Darüber hinaus beklagen sich Schreiber auch über schlecht zugeschnittene Federn.

Einige wünschen sich, den Lohn ihrer Mühen zu ernten, andere beschweren sich direkt über die dürftige Bezahlung und die Undankbarkeit ihrer Dienstherren. Dieser isländische Schreiber ist ziemlich unzufrieden mit seinem Arbeitgeber, hier klagt er über den Mangel an Essen:

 
Du behandelst mich schlecht, Dóri, Du gibst mir nie genug Fisch
 

Anzunehmen ist, dass dieser Dóri eine Art Vertrag über Lohn, Unterkunft und Unterhalt mit dem Schreiber abgeschlossen hat, wie es bei europäischen Schreibern üblich war.

Es gilt als wahrscheinlich, dass die Arbeit des Schreibers oft der teuerste Teil der Buchproduktion war, d.h. ungefähr ein Drittel der Gesamtkosten ausmachte, auch wenn es Ausnahmen von dieser Regel gab. Für prachtvolle Bücher kamen sicherlich noch einige Kosten für hochwertiges Pergament und die Arbeit und das Material für die Illuminationen hinzu. In einigen Fällen musste der Schreiber jedoch womöglich selbst das Pergament besorgen und bezahlen. So etwas war dann zweifellos im Vertrag vermerkt.

Trotz der schwierigen Bedingungen und der vielen Berufskrankheiten zeigen Quellen, dass in Europa sowohl gelehrte als auch Laienschreiber ihre Arbeit für nobel und ehrenvoll hielten, auch wenn sie sie oft mit einfachem Handwerk verglichen. Die Klosterschreiber kämpften, wenn sie das Gotteswort abschrieben, bewaffnet mit Federkiel und Tinte gegen den Teufel selbst. Es waren jedoch nicht allein die Schreiber selbst, die ihre Arbeit für edel hielten, sie scheinen zumindest zu einer bestimmten Zeit auch Wertschätzung innerhalb der Gesellschaft genossen zu haben.

zu Schreibernamen
zur Stellung von Schreibern in der Gesellschaft